Unterwegs auf der Deutschen Weinstraße

In diesen Tagen ist leider nichts normal- die schlechten Nachrichten häufen sich, Verhaltensweisen ändern sich, Routine wird unterbrochen, Abläufe werden geändert, Selbstverständliches wird unmöglich und Banales bekommt einen anderen Wert. Kleine Dinge bekommen plötzlich große Bedeutung.

 

Und so fahren wir in diesen Tagen manchmal am Abend eine Runde, um einen Spaziergang in den Feldern oder Weinbergen zu machen. Ich entdecke meine Heimat völlig neu oder kommen an Orte, in denen ich seit meiner Kindheit nicht mehr gewesen bin. 

Alles normal? Nein! „Stay away from the people!“ Ja! 

Am letzten Sonntag Nachmittag waren wir unterwegs, um die Deutsche Weinstraße entlang zu fahren. Als ich klein war, war diese oft ein Ausflugsziel und auch bei der Weinrallye erkundetem wir das eine oder andere Mal die Gegend rund um Maikammer. 

Sie ist eine der ältesten touristischen Straßen in Deutschland und wurde zur Zeit des Nationalsozialismus 1935 erschaffen und verläuft auf ca 85 Kilometern durch die Pfalz bis an die französische Grenze.

Wir starten am Haus der Deutschen Weinstraße in Bockenheim. Es stammt aus den 90ern und soll stilistisch an ein römisches Kastell erinnern. Hier ist heute nichts los, das Restaurant hat geschlossen, nur auf der Terrasse wird ein wenig gewerkelt. Wir steigen kurz aus, erfreuen uns an den am Rande des kleinen Sees blühenden Tulpen, machen noch ein Fotos vor dem Tor und fahren dann weiter. 

Nächster Stopp ist Bad Dürkheim, genauer gesagt das große Fass. Es ist mit einem Durchmesser von 13,5 Metern das größte der Welt und beherbergt ein Restaurant. Heute leider auch zu, klar! Also geht’s wieder los, der Weg ist das Ziel. 

Wenig später fahren wir hinauf zum Hambacher Schloss. Es ist einer der wichtigsten Erinnerungsorte der frühen Demokratiegeschichte in Deutschland. Denn hier protestierte einst die pfälzische Bevölkerung gegen die Repressionsmaßnahmen der bayerischen Verwaltung. Die Demo wurde als „Hambacher Fest“ getarnt und bis heute gefeiert. So eine Art „Fridays for future“ also.  

Die Spät-Römer siedelten hier wohl schon im 4. Jahrhundert, rund 1000 Jahre später erlebte der Ort als Kästenburg eine Blütezeit. Sie wurde nach mehrmaligen Umbauten zum Hotspot für den mittelalterlichen Adel, in der Folgezeit jedoch geplündert und beschädigt. Ja, so war das bei den Rittersleuten. Raue Zeiten. Nach dem Wiener Kongress fiel die Ruine an das Königreich Bayern, wurde dann verkauft, um sie dann dem Kronprinz zu schenken, der sie wieder aufbauen sollte. Hat er aber nicht, denn er war klamm. Und so gingen weitere 100 Jahre ins Land, bis sich endlich was tat und der Landkreis Neustadt, bzw Bad Dürkheim in den 50er Jahren mit der Renovierung begann und sie 1982 anlässlich des 150-jährigen Jubiläums des Hambacher Festes abschloss. Bis heute wurde des Weiteren die Ringmauer fortgeführt und ein modernes Gastronomiegebäude angebaut. All das hat heute leider auch zu. Wir müssen also ein andermal wiederkommen. 

Die Straßenführung der B38 wird im Verlauf der Strecke in Richtung Süden immer schöner. Weiß und rosa blühenden Mandelbäume zieren den Weg und bezeugen den beginnenden Frühling so früh wie sonst nur auf Mallorca. 

Am späten Nachmittag kommen wir in Schweigen an. Hier steht das Deutsche Weintor. In den 30er Jahren ging es den Winzern in der Region schlecht. 1934 kam es zu einer extrem reichen Ernte, gleichzeitig herrschte aber ein Berufsverbots für jüdische Weinhändler, was zum Preisverfall führte und viele Betriebe in Bedrängnis brachte. Die Nazis kamen nun auf die Idee, ein Tor zu bauen, um den Tourismus und den Verkauf anzukurbeln und die Region bekannter zu machen. Zur Einweihung der Weinstrasse 1935 wurde zunächst nur eine Holzattrappe des Tores aufgestellt. Im Folgejahr dann- nach einem Architekturwettbewerb-  das eigentliche Tor aus Stein in nur 8 Wochen errichtet und mit einer riesigen Hakenkreuzfahne geschmückt, die -als Provokation gedacht- bis von Frankreich aus zu sehen war. Sie ist schon lange verschwunden und auch die anderen Insignien rund um den Reichsadler sind nach dem Krieg verschwunden. 

Heute ist das Tor nur für Fußgänger und Radfahrer durchgängig und eigentlich darf man nicht mal davor parken. Da aber auch hier nichts los ist, genehmigen wir uns eine kurze Auszeit an diesem sonst von Touristen bevölkertem Ort. Gerne würden wir auch einen Kaffee trinken, aber das geht leider nicht. Dieses Vergnügen wird uns erst an einer Tankstelle im Nachbarort zu Teil. 

Der Rückweg verläuft auf einer ähnlichen Route, wir versuchen die Strecke aber spontan etwas zu variieren und fahren also der Nase nach. Bei wunderschönstem Sonnenuntergang kommen wir auf einen Abschnitt zwischen Mörzheim und Ilbesheim. In einer Kurve halten wir kurz und genießen den Moment! 

Foto: Susana de Val & Markus Haub