Als wir am Horizont das Meer sehen, wissen wir, dass wir es geschafft haben. Nach drei Tagen und knapp 700 Kilometern Kurvenfahrt über die Route des Grandes Alpes haben wir unser Ziel Menton erreicht. Die Stadt der Zitronen an der Côte d’Azur empfängt uns mit schwüler Hitze und dem wehmütigen Gefühlt, dass etwas großartiges zu Ende geht. 21 Pässe haben wir überquert, Regen, Nebel und Sonne haben uns begleitet, Pannen haben wir gemeistert und eine tolle Gruppe erlebt. Ist das das „Level 2“ Gefühl?
Die ganze Sache war von Moritz und Kerstin von @flat6high5 geplant. Wer die Großglockner Tour in Österreich und Italien von 2020 mitgemacht hatte, kam auf Level zwei: Frankreich war das gewählte Land. Wie Super Mario kann man sich dann in Zukunft an den jährlichen Ausfahrten hocharbeiten. Soweit die Theorie.
In der Praxis hatten wir uns drei Tage vor Zieleinlauf am Südufer des Genfer Sees zum Start getroffen. Als wir ankommen, schüttet es wie aus Kübeln, aber die Aussicht auf ein leckeres Abendessen und der Wetterbericht für den Süden stimmen uns milde.
Tag 1: Am nächsten Morgen ist es trocken. Frühstück und Briefing sind schnell erledigt und jeder wird noch mit einem Walkie-Talkie ausgestattet, um Laut zu geben, wenn die Blase geleert oder der Tank gefüllt werden muss. Von Thonon-les-Bains aus geht es dann auch gleich in die Berge, die ersten Kurven stehen an und je höher wir kommen, desto nebeliger wird es. Nach einem ersten Tank- und Burger King Pipi Stopp erreichen wir pünktlich die Mittagsstation am 1487 Meter hoch gelegenen Col de Aravis. Im Chalet Savoyard gibt es alles mit viel Käse. Nix für schlanke Linie, aber Berg runter macht sich der Speck auf den Hüften ja nicht so bemerkbar. Flumet, Beaufort und der Lac de Roselend werden passiert und gegen Abend erreichen wir unser schickes Chalet in Les Arc 1800.
Tag 2: Am nächsten Morgen streikt bei uns der Anlasser. Durch Anschieben und mehrmalige Startversuche hauchen dem 911 aber wieder Leben ein. Bei Andi muss noch geschraubt werden und Mario braucht Sprit. Moritz zapft ihm was aus seinem Tank ab und so kommen wir alle zur 50 Kilometer entfernt gelegenen Tankstelle in Tignes. Von Val d’Isère fahren wir uns den Col de l’Iseran auf 2770 Meter hoch, den höchsten befahrbaren Gebirgspass in den Alpen. Es ist nebelig und kalt und wir springen alle nur mal kurz aus dem Auto, um ein Gruppenbild mit Mütze zu machen. Da wir die Verzögerungen vom Morgen nicht aufholen konnten, wurde die Strecke etwas verkürzt. Der Ausflug nach Italien zum Mittagessen fällt aus und eine Pizzeria auf der direkten Route versorgt uns fürstlich.
Gut gestärkt geht die Fahrt weiter über den Col de Télégraphe und dann zum Col de Galibier (2642m), den man sonst nur von Bugatti kennt. Oder aber von der Tour de France, die hier regelmässig hoch radelt. Und das sieht man! Die Durchhalteparolen der Fans werden in liebevoller Arbeit zuvor auf den Asphalt gepinselt und sorgen so für einen speziellen Look auf der Straße. Die fehlenden Leitplanken und der relativ wenige Verkehr unterscheiden die Pässe hier zusätzlich von denen in Österreich oder der Schweiz, die zur Ferienzeit unerträglich voll sind. Tagesziel ist heute das idyllisch in Embrun gelegene Hotel La Robeyere.
Tag 3: Der nächste Morgen startet sonnig und wieder mit etwas Verspätung wegen einer weiteren Panne. Ein Highlight ist der Col de la Bonnette, den wir nach 1,5 Stunden erreichen. Die Passhöhe liegt bei 2715 Meter über dem Meer. Wer noch höher hinauf will fährt eine Ringstraße um den Gipfel. Diese ist mit 2802 Metern die zweithöchste asphaltierte Straße in den Alpen. Das machen wir natürlich und finden mit Glück auch einen Parkplatz. Hier oben sind wir leider nicht allein. Radler, Biker oder Camper. Alles was Räder hat, muss hier hinauf.
Nach weiteren 2,5 Stunden erreichen wir jenen Ort, der wie kein anderer für die Rallye Monte Carlo steht: Der Col de Turini. Volles Hörnchen zwirbeln wir im Pulk die unzähligen Kurven hinauf, im Abstand von 1000 Meter weisen Schilder auf die noch zurückzulegende Entfernung hin. Mit breitem Grinsen, heißem Öl und verschwitztem T-Shirt kommen wir oben an. Auf der Terrasse des Hotel Trois Vallées ist Mittagspause und während wir aufs Essen warten kann man sich die unzähligen Fotos aus vergangenen Rallye-Tagen im Inneren des Hauses anschauen.
Das letzet Stück bis Menton ist nicht mehr weit. Es wird langsam wieder heiss, so wie wir es seit Wochen schon gewohnt sind. Der Sommer ist zurück und die quirlige Stadt am Mittelmeer mit Palmen und Badetouristen ist ein krasser Kontrast zur Mondlandschaft einige Stunden zuvor. Wir parken die Autos, checken im Hotel ein, und gehen vor dem Abschieds-Dinner noch alle zum Strand, um im Meer zu schwimmen und begreifen langsam, dass wir es wirklich geschafft haben. Was für ein Trip! Les Alpes sont folles!
Fotos und Text: Markus Haub & Susana de Val