Der Priorat ist eines der kleinsten Weinanbaugebiete in Spanien und liegt nur knapp zwei Stunden südlichwestlich von Barcelona. Wir haben die Weihnachtstage dort verbracht und die schönsten Ecken und die besten Weine gesucht.
Unsere Erkundungstour beginnt am Fuße des Montsant-Massivs im Karthäuser Kloster L’Escaladei (Gottestreppe) aus dem 12. Jahrhundert. Es war das erste auf der iberischen Halbinsel und es waren die Mönche, die auch den Weinbau hier eingeführt haben. Mit der Säkularisierung des Kirchenguts im Jahre 1835 sahen sich die Geistlichen zur Flucht gezwungen und ließen das prächtige Gebäude zurück. Innerhalb von nur zwei Jahren wurde es durch Plünderung ziemlich zerstört. Die Reste davon kann man heutzutage besichtigen.
Die Winzergenossenschaft Falset-Marça
Weiter fahren wir in die Hauptstadt Falset, um die Winzergenossenschaft „Cooperativa Falset-Marça“ zu besichtigen und ein paar lecker Weinchen zu probieren. Sie wurde 1917 gegründet und 1919 wurde die Weinkellerei vom Architekten Cèsar Martinell- einem Schüler von Antonio Gaudi- im modernistischen Stil fertig gestellt. Erst 1999 wurden die riesigen Holzfässer gegen solche aus Stahl ausgetauscht. Die Moderne hielt Einzug. Zwei alte stehen jedoch noch am Eingang der Bodega. In ihnen wird der berühmte Wermut aus Falset hergestellt, den wir gleich zu Anfang verkosten dürfen. Er entsteht aus weißem Granache und Macabeo Trauben, die mit der Schale vergoren werden. Danach wird er gefiltert, mit ca 120 verschiedenen Kräutern versetzt, für ein Jahr im 500 Liter Eichenfass gelagert, um dann mit Basiswein abgeschmeckt zu werden und noch fast 3 Jahre im Fass zu lagern. Dieses wird nie ganz gelehrt, so dass immer ein Bodensatz zurückbleibt. Und das schon seit über 100 Jahren. Das sorgt für den einzigartigen Geschmack.
Es ist der 22. Dezember und niemand anderes hat sich für die Führung angemeldet. So nimmt sich Oleguer über zwei Stunden Zeit nur für uns und erzählt und alles mit vollem Enthusiasmus.
Er führt uns auch auch auf das Dach des Gebäudes. Hier lagern in dicken, grünen Flaschen der „Vino rancio“, der ranzige Wein. Er wird das Jahr über der Sonne ausgeliefert und bekommt so seinen eigentümlichen Geschmack, der entfernt an Oporto erinnert. Am Ende der Führung geht es ans Probieren. Und das nicht zu knapp. Weißwein, mehrere Rotweine, Syrah, Rancio und der wunderbare süße Wein „Lo dolç Joglar“ und natürlich auch das Olivenöl, welches hier hergestellt wird. Lecker, lecker…
Hotel Trossos del Priorat
Über kurvige Strassen geht es nach Gratallops in Richtung unserer Unterkunft für die nächsten vier Tage. Es liegt einige Kilometer außerhalb und ist in den Hang hinein gebaut. Trossos del Priorat heißt es und ist eigentlich eine Weinkellerei mit integriertem Hotel. Es hat nur 7 Zimmer und kein Restaurant und ab 18 Uhr ist kein Personal mehr da. Man kann sich also wie zu Hause fühlen, kochen, den Wein aus der eigenen Produktion genießen (davon gibt es genug im Kühlschrank) oder es sich vor dem offenen Kamin gemütlich machen. Wir hatten Glück, dass über die Weihnachtstage kaum Gäste hier waren und wir eigentlich fast immer alleine waren. Ein Traum ist der Blick in die mit Weinstöcken bewachsenen Hügel, die das Licht zu jeder Tageszeit anders aussehen läßt.
Nach Süden, nach Miravet…
Am nächsten Morgen fahren wir Richtung Süden in die Terra Alta des Flusses Ebro. Wir überqueren den Fluss auf einer mini kleinen Fähre, die sich ohne Motor- nur mit einem Ruder und der Ströhmung- bewegt und fahren weiter nach Miravet, wo wir im Restaurant „Moli de Xim „ essen. Risotto mit Pilzen und Foie gras, danach Lamm. Alles sehr feini. Zur Verdauung noch rauf auf die Festung, von der aus man einen wunderschönen Ausblick auf den Fluss und das Tal hat. Für 17 Uhr haben wir eine Weinprobe gebucht und so müssen wir uns etwas sputen, um nicht zu spät zu kommen.
Terra Dominicana
Die Weinverkostung ist in der Kellerei Terra Dominicata, welches zum Trossos Weingut gehört und für deren Gäste ist sie gratis. Angrenzend auf dem Gelände im ist das einzige fünf Sterne Hotel in der Region, es hat erst diesen Sommer eröffnet.
Das alte Weingut wurde 2014 von der Familie Vives gekauft, um nach über 20 Jahren wieder eigenen Wein herzustellen und nicht nur die Trauben zu verkaufen. Im 20. Jh. wurde der Weinbau im Priorat weitestgehend aufgegeben, zu beschwerlich war die Arbeit an den steilen Hängen, zu gering der Ertrag auf den steinigen Böden. 1990 gab es nur noch 15 registrierte Weinbaubetriebe. Erst danach hielten moderne, aus Frankreich stammende Produktionsmethoden Einzug und das Potenzial der visionären Winzer wurde wiederentdeckt. Seit wenigen Jahren scheint sich die herausragende Qualität der Weine herumgesprochen zu haben und die Arbeit sich wieder zu lohnen. Heute gibt es 85 Kellereien und 562 Winzer. Die Erträge bleiben gering, weil das Gelände sehr steil ist und der karge Schieferboden den Pflanzen alles abverlangt. Die Wurzeln müssen sich teilweise 30 Meter in die Tiefe graben, um an Wasser zu gelangen, das führt zur charakteristischen mineralischen Note, die dem Wein zu Weltruf verholfen hat. Maschinen kommen hier auf den kleinen Parzellen kaum zum Einsatz. Handarbeit ist gefragt und das zeigt sich in den Preisen, die für die Flaschen verlangt werden.
Die Führung durch die verschiedenen Räume des Betriebes übernimmt Diana, die Sommelière des Hotels. Wir sind überrascht, wie wenig Wein hier in diesem großen Anwesen hergestellt und gelagert wird. Die Mengen sind in der Tat äußerst gering. Dennoch wird mit verschiedenen Gefäßen experimentiert. Weil der Wein in den Holzfässern aus Frankreich oder den USA alle drei Monate einen Liter durch Verdunstung verliert (der nachgegossen wird), gibt es Versuche mit seltsamen Kunsttoffeiern, aus denen kein Tropfen entweichen kann. Auch wird je nach Rebsorte mit verschiedenen Fassgrößen gearbeitet. In der Vinothek verkosten wir vier Weine. Den Blanc De Noirs „ Sui Generis“ 2017 , den „Domus Aquilae“ 2014, einen „l’estaca“ 2016 und den 2013er „Le Mon“. Nach der Führung plaudern wir noch etwas mit Diana und bekommen spontan eine private Führung durch das Hotel, die Suiten und das Restaurant mit dem angrenzenden Weinraum. So wissen wir schon mal, wo es langgeht. Denn für den 24. Dezember haben wir uns hier zum Abendessen angemeldet und werden Weihnachten feiern…
Kellerei Gratavinum
Es ist Weihnachten und fast alles macht langsam zu. In Katalonien feiert man aber erst am 25. Dezember und so konnten wir noch eine Weinverkostung für heute organisieren. Ganz in der Nähe in Vilella Baixa befindet sich die Kellerei „Gratavinum“. Es stellen Wein und Olivenöl her und zeigen uns die Produktionsstätte. Auch hier ist alles sehr übersichtlich. Experimentiert wird hier ebenfalls mit verschiedenen Holzfässern, großen, bauchigen Glasflaschen oder Ton-Amphoren. Spezialität ist der „Silvestris“ , ein natürlicher Wein, wie er vor Tausenden von Jahren hergestellt wurde. Ohne jegliche chemische Zusätze, von biologischen Weinbergen, die ebenfalls nie chemisch behandelt wurden. Auch die anderen Weine werden unter biologischen Aspekten hergestellt und mit extrem wenig Schwefel versetzt und deshalb bei vielen Biowein- Anbietern gelistet. Die Reben werden nicht bewässert und müssen deshalb besonders kämpfen, um an Wasser zu gelangen. Das macht sich im Geschmack bemerkbar. Vom Top-Wein „Coster“ werden nur 500 Flaschen produziert, die Trauben (Carinyena) stammen von den höchstgelegendsten Terrassen und von über hundert Jahre alten Rebstöcken.
Exkursion nach Siruana
Am Dienstag steht eine Exkursion nach Siurana auf dem Programm. Es geht über kurvige Straßen Richtung Norden. Der Priorat ist eine der kurvenreichsten Gegenden, die ich je gesehen habe. Mehr als in den Alpen! Es gibt einfach keine gerade Strecke hier und wir haben uns so manches Mal unseren Porsche für diese Fahrt gewünscht. Was für ein Spaß wäre das gewesen! Auf den abgelegenen Feldwegen, die zu den Weingütern führen, waren wir dann aber doch mit unserem Renault Kadjar ganz zufrieden. Siurana liegt hoch oben auf dem Gritella-Massif und man hat einen atemberaubenden Ausblick auf den im Tal liegenden Stausee und die Berge des Montsant.
Bodega Ferrer Bobet
Unser letzter Tag ist angebrochen. Wir packen das Auto für die Rückreise. Neben den Taschen haben wir reichlich Wein und Olivenöl eingekauft, welches nun verstaut werden muss. Wir fahren noch über ein paar Dörfchen und schließlich an der Bodega von Ferrer Bobet in Porrera vorbei. Es ist Feiertag und deshalb ist alles geschlossen und so nutzen wir den Tag für einen kleinen Spaziergang rund um die Hügel des Weinguts. Dann geht es zurück nach Barcelona. Mit etwas Wehmut geht eine wunderbare Reise zu Ende, aber einige der Köstlichkeiten haben wir ja mitgenommen, um uns in den nächsten Wochen an die Momente im Priorat zu erinnern.
Fotos: Susana de Val und Markus Haub