Die Gegend um Sankt Moritz ist ein Traum und wir geschaffen für eine Oldtimerveranstaltung wie den Bernina Gran Turismo. Erdacht von einer Gruppe Enthusiasten aus dem Engadin, welche die Tradition der Bergrennen der 20er und 30er Jahre wieder aufleben lassen wollten. Wo damals Hans Stuck oder Luis Chiron ihren Austro Daimler oder Bugatti T47 die Berge auf Schotterpisten hochprügelten, sollen nun endlich wieder Rennen gefahren werden. Und zwar richtig!
Schon in der Regularitätswertung geht es ganz schön zur Sache, aber in der Rennklasse brennt der Asphalt! Die von damaligen 16,5 auf nunmehr 5,7 Kilometer verkürzte Strecke führt vom Start in La Rösa bis zur Passhöhe beim Ospizio Bernina. Zwei Tage lang wird sie dafür (mit kurzer Unterbrechung am Mittag und in der Nacht ) abgesperrt.
Freitag: Technische Abnahme
Das ganze Spektakel beginnt bereits am Freitag, wenn sich die 80 Teilnehmer am mondänen Hotel Kempinski Des Bains sammeln, um die technische Abnahme vorzunehmen. Coronabedingt sind dieses Jahr keine Zuschauer erlaubt. Das schmerzt nicht nur den Veranstalter, der eigentlich allen den Zugang zu den Rennwagen ermöglichen möchte. Aber diesmal geht es nicht anders und auf Werbung wurde auch weitestgehend verzichtet, um nicht unnötig Besucher anzuziehen. Nur 300 Personen dürfen aufs Gelände. Fahrer, Beifahrer und Teams, dazu ein paar Fotografen. Ein rotes oder grünes Bändchen identifiziert und verschafft Eintritt in die Welt aus altem Blech und gediegenem Luxus.
Die vom Oberinspektor abgenommenen Wagen verteilen sich im großzügig auf der Wiese im Park. Die Bandbreite ist riesig. Vom Mini Cooper und Saab 4V Monte Carlo bis hin zu Audi quattro oder BMW M1 Procar. Auch dabei verschiedene Cobras, Ford Mustang, Ferrari 250 GTB, zwei Lancia Stratos, Porsche 911 RS, RSR oder ST, 550 Spyder oder gleich zwei atemberaubenden, extrem seltene (nur 12 Stück wurden gebaut) und nur 620 Kilo schwere Alfa Romeo Zagato TZ2, alle meist Schweizer Provenienz. Überhaupt sind einige Zagatos im Feld oder vor dem Hotel anzutreffen. Alfa-Romeo 2600 Sprint Zagato, ein DB7 Coupe oder einer der brandneuen, auf nur 19 Exemplare limitiere und auch nur im Doppelpack mit einem baugleichen Cabrio zu erwerbende Vantage V12. Er unterscheidet sich vom ursprünglichen Modell von 2011 nur in Details und Interieur.
Nachrücker bei Teilnehmerliste hatten dieses Jahr Glück, denn Engländer oder Amerikaner müssen leider auf einen Start verzichten. Die Quarantänebestimmungen waren doch zu hart. Bei Sonnenschein, Veuve Clicquot und leichtem Lunch wird die Wartezeit bis Mittag verkürzt. Man kennt sich, plaudern angeregt und freut sich auf das was kommt.
Dann geht es endlich los. Die Fahrzeuge fahren hoch zum Bernina, um die Strecke kennenzulernen, einige Spaßrunden zu drehen oder direkt in der riesigen Garage zu verschwinden, wo sie erst am nächsten Morgen wieder rausgelassen werden. Wir fahren noch einmal den Pass runter nach La Rösa, einer ehemaligen Poststation mit morbidem Charme und machen ein paar Fotos an der Strecke.
Samstag: Renntag
Die Parkplatzsituation oben auf dem Pass ist schwierig und die Straße wird ab 7:40 abgeriegelt. Also bleiben zwei Optionen: Früh aufstehen und noch einen Platz erwischen, oder später kommen und mit dem Zug hochfahren. Der Bernina Express ist die höchste Bahnstrecke Europas und hält auch unterhalb des Hospiz. Ok, das mit dem Zug klingt romantisch, wir entscheiden uns dennoch für Variante A. Also, um halb sieben am Hotel losfahren, das Frühstück muss zugunsten eines Lunchpakets ausfallen. Es ist noch dunkel, kein Schwein auf der Straße. Auch keine Polizei und so kann man es etwas fliegen lassen.
Nach einer guten halben Stunde kommen wir auf 2235m Höhe an, parken mitten im Geschehen und schon geht es los. Zu unserer Verwunderung haben sich nur kaum Zuschauer eingefunden, um das Spektakel mitzuerleben. Die 80 Rennwagen fahren aus der Garage, stellen sich nach Startnummern auf, lassen die Motoren warm laufen oder werden nochmal durchgecheckt. Inzwischen ist es hell geworden und die ersten Sonnenstrahlen verdrängen die Nebelschwaden. Einige Wolken hängen noch im Tal. Fantastisch! Das frühe Aufstehen hat sich gelohnt. Early Bird lässt grüßen…
Gegen acht Uhr wird die Strecke freigegeben und der Tross fährt hinunter nach La Rösa zum Start. Wir nutzen die Zeit für einen schnellen Kaffee, als die ersten Renner im Minutentakt schon wieder oben sind. Die Strecke an sich ist weiträumig mit Flatterband abgesperrt und man muss sich auf dem einen oder anderen Hügel postieren, um das Geschehen beobachten zu können.
Nach der Zieleinfahrt rollen die Fahrzeuge das letzte Stück zum Ospizio aus und reihen sich wieder auf. Bei einigen Teams kommt Hektik auf, es gilt das Fahrzeug für den zweiten Lauf zu verbessern oder wieder fit zu machen. Einige Ausfälle sind schon zu verzeichnen. Der Saab mit Ex Formel 1 Fahrer Stefan Johansson muss pausieren. Andere sind entspannt, rauchen eine Zigarre oder machen – wie Arturo Merzario – Fotos von ihrem Auto oder mit den Zuschauern. Der 77 jährige genießt es noch immer, seine alten Renner zu bewegen. In diesem Fall einen Abarth 2000 Sport.
Zwei Trainingsläufe stehen am Vormittag an und das Spektakel wiederholt sich. Die ersten Zeiten werden gespannt von den Fahrern beäugt. Einsam an der Spitze soll im Training wie im Rennen der Martini-BMW F2 von Thomas Amweg mit einer Zeit von knapp drei Minuten stehen. Er muss jedoch am Ende als Monoposto Fahrer den Preis an den zweitplatzierten Florian Fäustel in einem Porsche Carrera RSR IROC Replika weitergeben. So sind die Regeln.
Der Bernina Gran Turismo ist wirklich ein Highlight im Kalender der Oldtimerveranstaltungen. Besonders in diesem Jahr, wo fast alles aus- oder umgefallen ist, muss man es den Veranstaltern hoch anrechnen, das Event auf die Beine gestellt zu haben. Wir kommen im nächsten Jahr gerne wieder!
Uf widerluege!
Text und Fotos: Markus Haub & Susana de Val