Letzte Woche war es wieder soweit. Schon zum dritten Mal zog es mich dieses Jahr in die Alpen. In die Dolomiten und dann noch über den Grossgockner. Das war der Plan.
Tag 1: Von Mainz in die Dolomiten
Um den Fernpass zu vermeiden habe ich mir die Strecke über das Hahntennjoch ausgesucht. Eine gute Wahl. Die halbe Stunde Umweg wird mit einer wie aus dem Ei gepellte Passstrasse belohnt. Akkurat geschnittenes Gras am Wegesrand und tolle Streckenführung. Es ist wenig Verkehr, nur ein paar Biker sind unterwegs. Mit denen kommt man auch schnell ins Gespräch. Eine Frau macht Fotos von meienem Auto für ihren Sohn, der auch einen alten Elfer restauriert und Design Praktikant bei BMW ist.
Bei Silberdistel und belegtem Brötchen mache ich eine Pause, bevor es weiter über den Brenner geht. Dass man in Italien ist, merkt man zunächst an den rostigen Leitplanken und dann an der immer wärmer werdenden Luft. Es geht gefühlt ewig bergab in Richtung Sterzing, Eisacktal, Brixen und Bozen. Ich halte mich weitestgehend an die erlaubten 110 km/h, den die Carabinieri ziehen einige Schnellfahrer aus dem Verkehr.
Das Ziel ist das Eggental, wo mich blauer Himmel und Dolomitenpanorama erwartet. Am Nachmittag komme ich im Hotel Pfösl in Deutschnofenan. Es liegt am Ortsrand und man hat einen traumhaften Blick in die Berge. Auf dem weiträumigen Gelände steht das Hauptgebäude, welches vor wenigen Jahren komplett renoviert wurde und mit einer Art eckigem Vogelnest umzogen wurde, ein Anbau mit Suiten, eine alte Scheune, ein Kräutergarten, ein Streichelzoo mit Ziegen und Esel und drei puristische Wald Chalets. Alles mit viel Liebe zum Detail und inmitten der Natur.
Traditionen, Regionalität und Nachhaltigkeit werden hier großgeschrieben. Einmal in der Woche wird Brot in einem 300 Jahre alten Steinofen gebacken, Marmeladen und verschiedenen Buttersorten (Mohn mit Honig) werden selbst gemacht. Der Spa-Bereich lässt keine Wünsche offen und das Essen ist fantastisch. Einfach ein toller Ort zum entspannen. Ich bleibe hier zwei Tage…
Sellajoch, Grödnerjoch, Kronplatz, Würzjoch und zurück
Am nächsten Morgen ist wieder Bombenwetter und eine Passfahrt steht an. Los geht es zunächst über die große Dolomitenstrasse zum Karerpass(1745m) und Karersee. Hier wütete im letzten Jahr der Orkan Vaia und hat 8,6 Millionen Festmeter Holz zu Fall gebracht. Auf weiten Flächen liegen noch Bäume quer oder stehen nur noch Stümpfe. Es sieht aus wie in Brasilien nach der Rodung. LKWs sind überall unterwegs und transportieren die Reste ab.
Radfahrer, Motorräder, Wohnmobile…heute sind alle unterwegs und so geht es im Bummeltempo hoch zum Sellajoch(2218m). So habe ich mehr Zeit, um die grandiose Bergpanorama zu genießen, denn die 3000er sind atemberaubend schön. Zum ersten mal wünsche ich mir ein Cabrio, um einen besseren Ausblick zu haben. Park- oder Halteplätze sind Mangelware und so stelle ich mich mal kurz in eine breite Kurve um ein paar Fotos zu machen.
Weiter geht’s zum Grödner Joch (2121m), wo mir Teilnehmer der ADAC Europa Classic Rallye begegnen. Über Corvara fahre ich in das Gadertal und schließlich bis nach Olang, wo ich in die Gondel hinauf zum Kronplatz steige. Ich möchte das CORONES Messner Mountain Museum besuchen, welches auf dem Gipfelplateau in 2275 Metern im Jahr 2015 nach zweijähriger Bauzeit errichtete wurde. Es ist eine von sechs Messner Museen in der Region und soll ein Rückzugs- und Erfahrungsraum als Gegenpol zum Sporthype sein. Ein Museum zum traditionellen Alpinismus. Umgesetzt wurde es von der Architektin Zaha Hadid, die bekannt war für ihre Freiform-Architektur. Sie selbst war übrigens nie hier oben auf dem Berg. Der Bau fügt sich gut in die Umgebung ein. Liegt er doch zum größten Teil unterirdisch. Lediglich der Eingang und drei fingerartige Endstücke blicken aus der Bergsspitze hervor. Ein wenig, als hätten Außerirdische hier etwas vergraben.
Die Rückfahrt geht über das Würzjoch. Eine Strecke von der mir meine Freundin Claudia immer wieder erzählt hatte. Und das zu Recht. Würzig wie der Name, würde ich sagen! Die Strecke ist super zum Fahren, enge Kehren, steile Anstiege bis zur Passhöhe auf 1982 Metern. Landschaftlich unglaublich schön und kaum befahren. Alle quälen sich auf den Hauptrouten herum und nur ein Tal weiter ist man fast alleine. Nach einem Kaffeestopp im Ütia de Börz mache ich mich an die Abfahrt auf der anderen Seite nach St.Peter. Sie ist anspruchsvoller, die Strasse ist sehr schmal und manchmal recht holprig. Auch hier ist kaum Verkehr, trotzdem muss man höllisch auf Entgegenkommende aufpassen. Da der Tag schon fortgeschritten ist, fahre ich den Rest über die Autobahn zurück zum Hotel, wo ich am frühen Abend ankomme. So habe ich noch Zeit, eine Runde zu schwimmen und mich in den Whirlpool zu setzen und den Ausblick in die Berge zu genießen, deren Farbe sich fast schon kitschig im Licht des Sonnenuntergangs verändert. Was für ein toller Tag!
Vom Eggental nach Pinzolo
Es ist Donnerstag und ich fahre die Strasse hinunter ins Etschtal. In einer Kehre hat man einen Ausblick auf die Weinberge, welche die Region so sehr prägen.
In Magreid fahre ich zu einer interessanten Feuerwache, welche tunnelartig in den Berg hinein gebaut wurde. Nach außen hin zeigt sich das Gebäude nur mit einer schwarzen geknickten Betonwand aus der ein gläserner Vorbau und zwei Portale ragen. Sie dient als Absturzsicherung und dient zugleich als architektonisches Element der Feuerwehr.
Dann geht’s weiter Richtung Norden über die Weinstrasse. Bei der Cantina Tramin mache ich einen weiteren Halt. Inzwischen gibt es in der Region einige architektonisch interessante Kellereigebäude, die vom neuen Selbstbewusstsein der Südtiroler Winzer zeugen. In Tramin entstehen die berühmten Gewürztraminer. Dem alten Gebäude wurden 2010 zwei markante Anbauten hinzugefügt. Ein Glaskubus beherbergt die Vinothek. Er wird von einer grünen Stahlstruktur ummantelt, deren Form den Trieben der Rebstöcke nachempfunden ist.
In Kaltern folge ich einer steilen Strasse, die mich zum Mendelpass (1362m) hinaufführen wird. Es herrscht kaum Verkehr, nur die den Teilnehmern der ADAC Rallye begegne ich wieder. Ein gutes Zeichen, scheint die Strasse doch wieder ein Highlight zu sein! Der Blick ist grandios, leider gibt es keinerlei Haltemöglichkeiten und so wird dieser Streckenabschnitt nicht auf Film verewigt werden können. Am Gipfel komme ich in Belvedere an. Es hat die besten Jahre hinter sich, ist teilweise etwas heruntergekommen, was durchaus seinen Charme hat. Trotzdem verliere ich hier wenig Zeit, schaue nur mal nach dem Ölstand. Der ist ok. Also Klappe zu und weiter…
Die Strasse hinab nach Cles schlängelt sich durch endlose Apfelplantagen. Das ganze Tal ist voll. Im Dorf angekommen mache ich Mittagspause in der Dorfpizzeria, um mich ausreichend für die Weiterfahrt zu stärken. Die führt ins Val de Sol und weiter am Campo Carlo Magno Pass vorbei nach Madonna di Campiglio. Die Strecke ist gut ausgebaut und man kann es fliegen lassen. Der Ort selber ist eher im Winter aktiv, im Sommer ist es etwas trostlos und an den Appartmenthäuser ist der Glamour vergangener Tage auch schon abgefallen.
Mein Hotel für diesen Tag ist in Pinzolo. Es ist das Lefay Resort & SPA Dolomiti, welches erst vor gut vier Wochen eröffnet hat. Ganz neu also. Riecht es noch nach Farbe? Nein! Nach turbulenten Tagen im August (wie mir berichtet wurde) ist nun Nebensaison und fast nichts los. Eine Angestellte führt mich durch die Anlage und aufs Zimmer. Man kann sich leicht verlaufen. Die 88 Suiten sind vom Hauptgebäude getrennt und nur mit einem separaten Aufzug zu erreichen. Dieses ist ein vierstöckiger Glasbau, in welchem die Bar, das Restaurant, der 5000m2 Spa Bereich und das Schwimmbad mit Aussenpool untergebracht sind. Und weil ich noch genug Zeit habe, schaue ich mir den jetzt in Ruhe an. Verschiedene Saunen, Dampfbäder und Ruheräume. Die wenigen Gäste verteilen sich spielend. Nach 19h ist gar nichts mehr los und ich gehe nochmal eine Runde schwimmen. Ich weiß nicht, was die hier ins Becken getan haben (oder eben nicht), aber ich habe noch nie ein so „leckeres“ Wasser erlebt. Man würde es trinken wollen, wenn es nicht so warm wäre und in den Augen brennt es auch nicht. Ich paddele noch eine ganze Weile umher, bis der Hunger mich zum Abendessen treibt.
Freitag. Regen. Auf nach Kals
Es regnet wie aus Kübeln. Das Wetter hat umgeschlagen und die Vorhersagen haben sich nun bestätigt. Ich bleibe noch im Hotel solange es geht. Gegen halb zwölf breche ich auf. Tagesziel ist Kals am Großglockner, wo ich mich mit Lorenz treffen möchte, um das Wochenende gemeinsam zu fahren. Aber die 260 Kilometer wollen zurückgelegt werden. Ich suche mir also den schnellsten Weg und der führt erstmal Richtung Trento, dann über die Autobahn Richtung Norden. Es ist Ferienende und so füllt sich die Strassen immer weiter mit meist deutschen Urlaubern. Ich biege ab ins Pustertal, wo mir der Verkehr glücklicherweise auf der Gegenfahrbahn entgegenrollt. Als ich schließlich ins Antholzer Tal abbiege, bin ich mal wieder ganz alleine unterwegs. Ich will über den Staller Sattel(2052m), die Grenze von Italien nach Österreich. Da die Anfahrt über eine sehr steile und vor allem schmale Strasse erfolgt, regelt hier eine Ampel den Verkehr. Man darf nur 15 Minuten pro Stunde einbahnstrassig hochfahren. Sonst heißt es Warten. Vormehr steht nur ein Auto. Ein Mietwagen mit zwei chinesischen Touristen drin. Ich frage also höflich, ob ich mir vor sie stellen darf, um dann bei grün gleich loszufahren und nicht hinterher bummeln muss. Überholen ist hier unmöglich. Sie lassen mich gerne vor.
Nach einer halben Stunde Warten kann ich fahren. Ein Motorradfahrer wollte schlau sein und meint, sich noch schnell vordrängeln zu müssen, lässt mich aber wenig später entnervt vorbei, da er einfach zu lahm ist und die Strasse etwas zu glatt für seinen Bock. Nach fünf Minuten war ich oben. Die Abfahrt ist weitaus gemütlicher und länger. Im weiten Tal gibt es einen See und die Kühe grasen am Wegesrand. Würde es nicht regnen, man könnte glatt mal halten und sich ne Runde ins Gras legen. Am Nachmittag komme ich in Kals an.
Wir wohnen im Gradonna Mountain Resort, wo wir schon 2015 mit der Kiska CrossRoads Rallye und auch 2017 zur „Alpenfahrt 1.0“ Stopp gemacht hatten. Das Hotel ist fantastisch, bietet Platz für 500 Gäste, die in 40 Chalets 117 Zimmern und 12 Suiten untergebracht sind. Es ist kein Klotz, sondern bettet sich in die Topografie und Vegetation ein. Die Fassade ist teilweise mit Lärchenholz Schindeln verkleidet, ein gläserner Turm ragt aus der Mitte hervor. Die 3000m2 große Wellness-, Bade- und Saunalandschaft mit vier Pools lässt keine Wünsche offen. Lorenz kommt erst am Abend, und so lasse ich mich alleine durchblubbern. Ab 19h gehen alle (wirklich alle!!!) Gäste aufs Zimmer oder zum Essen oder sonst wohin und ich bin mal wieder alleine mit mir und der Welt, bzw dem aufziehenden Nebel. Schlechtes Wetter kann so schön sein.
Grossglockner Hochalpenstrasse
10 Uhr, Regen. Hmmm, was tun? Wir fahren trotzdem in Richtung Großglockner. Zeitweise reißt es etwas auf, aber nur für kurze Zeit. Am Gipfel auf 2504 Metern ist es nebelig und 2 Grad Plus. Es schneit. Es ist zum Heulen. Hier, wo sich Österreichs höchster Berg hingesetzt hat, das Panorama seinesgleichen sucht und sonst tausende Touristen mit uns stehen würden, sind wir alleine und haben null Sicht. Wir verschieben unsere Hoffnungen auf Sonnenschein auf den Nachmittag, denn wir wollen ja dieselbe Strecke wieder zurückfahren.
Mittagsziel ist Zell am See. Hier wohnen die Porsches und die Piechs, alles scheint in ihrer Hand. Auch das Designbüro von F.A. Porsche ist hier und wir fahren kurz vorbei. Danach besuchen wir Achim Storz mit dem ich seit vielen Jahren befreundet bin. In den 80er Jahren gründete er hier sein Designstudio. Ich habe ihn bei einem Praktikum 1995 kennengelernt und er hatte mich nach meiner Selbstständigkeit wieder zu einigen Projekten ins Team geholt. Das ist aber schon ein paar Jahre her und ich freue mich, nun mal wieder hier zu sein.
Er führt uns zu einem ganz besonderem Restaurant. Das Speisenmeisterei im über 1000 Jahre alten Lohningerhof. Eine Mischung aus Feinkostladen, Vinothek und Kochschule. Modern meets Tradition. Man sucht sich Fisch oder Fleisch allerbester Qualität an der Vitrine aus und bekommt es nach Wunsch zubereitet. Booooaaah , ist das lecker! Und so sitzen wir eine ganze Weile am Tisch und plaudern über Autos, Design, die Welt von gestern und morgen. Und vor allem über die Menschen, die sie geformt haben und formen werden. Anekdoten zum Lachen und zum Heulen. Über das Leben halt.
Am Nachmittag fahren wir zurück. Das Wetter ist nicht besser geworden und so stochern wir wieder im Nebel, fahren bis ganz rauf zur Edelweißspitze(2571m), drehen auf dem leeren Parkplatz ein paar Donuts, machen noch einen Abstecher zur Kaiser-Franz-Josefs Höheund schauen kurz auf die vom Klimawandel dahingeraffte Pasterze, die zu Sisis Zeiten wohl noch von der Postkutsche aus zu begehen war. Nun liegt der Gletscher schwarz vom Dreck kilometerweit entfernt.
Ab nach Hause…
Der Rest ist schnell erzählt. Auch am Sonntag regnet es und so verbieten wir uns eine ausgedehnte Tour und fahren direkt nach München, wo wir uns einen netten Abend mit Freunden machen. Am Montag geht es dann zurück nach Mainz, damit ich am Dienstag früh morgens auf der IAA stehen und mir die neuesten Schönfärbereine der Autoindustrie anhören kann. Den Artikel gibt es hier.