Geneva International Motorshow
Bang! Aston Martin hat den anderen mal ganz schön die Butter vom Brot genommen. Gleich mehrere Neuheiten wurden rausgehauen. Nach dem Valkyrie und dem Valkyrie AMR Pro feiert mit dem Aston Martin AM-RB 003 auf dem Genfer Autosalon 2019 der dritte Supersportwagen der Marke mit Mittelmotor Premiere. Als „daily Supercar“ sozusagen mit einem Biturbo-V6 Motor. Ihm zur Seite gestellt wird der neue Vanquish, der als Vision Concept die 2022 kommende Serienversion mit Verbundaluminium Struktur zeigt. „Beautyful is fearless“ sagt Andy Palmer und beschreibt die Tochtermarke Lagonda als eine 120 Jahre alte „Start-up-Tech-Company“. Sie gibt mit dem All-Terrain Concept einen Ausblick auf ein Elektro SUV. Eine Art Superyacht auf Rädern.
Selten hat mir eine Automesse in jüngster Vergangenheit so viel Spaß gemacht. Die durch die fehlenden Hersteller Hyundai, Ford, Volvo, Opel und Jaguar/Landrover entstandenen Löcher konnten anderweitig mit Exoten oder Chinesen aufgefüllt werden. Manch einer gönnte sich einfach auch mal einen größeren Stand.
Supersportler und Bugattis Käsereibe
Traditionell stehen in Genf viele Sportwagen. Mit großer Spannung wurde der vom Piech Sohn Anton angekündigte Elektroflitzer Mark Zero erwartet. Ein eher klassisch gezeichnetes Coupe, welches mit Batterien des chinesischen Herstellers Desten Group bestückt ist und in sage und schreibe vier Minuten vierzig Sekunden zu 80% aufgeladen werden kann. Ab 2020 geht es los, danach soll ein SUV und ein Viersitzer folgen.
Gleich in der Nähe hat Bugatti sich einen großen Stand gegönnt. Neben dem Divo und einem Chiron Sport 110 ans steht der neue, mit seinen vielen Löchern an eine Käsereibe erinnernde „La Voiture Noire“. Er ist ein 12 Millionen teures, von Hand gefertigtes Einzelstück, welches den verschollenen, vierten gebauten Typ 57SC Atlantic zitieren soll. Leider kann man die Form der schwarzen Karosserie kaum erkennen. Die Farbe ist halt immer etwas unglücklich auf Automessen. Vielleicht lässt der neue Besitzer ihn ja umlackieren. Man munkelt, Ferdinand Piech soll ihn gekauft haben.
Pininfarina hat das stärkste jemals in Italien gebaute Supercar entwickelt. Die vier Elektromotoren steuert Rimac bei und sie leisten zusammen 1900PS und katapultieren den Battista in zwei Sekunden von null auf 100. Na dann mal los!
Brot und Butter, klein und pfiffig…
Und was machen die großen so? Mercedes-Benzund BMW fusionieren. Ach nein, sie kooperieren nur! Und zwar auf dem Gebiet des autonomen Fahrens. Genauer geht es um die Entwicklung einer skalierbaren Plattform, später wohl auch um Getriebe oder Batterien. Auch wurden die beiden eigenen Carsharing Anbieter DriveNow und Car2Go zusammengelegt. Auf dem Genfer Salon wird jedoch nur Hausmannskost serviert, die sich nahtlos in die aktuelle Produktpalette einfügt. Fallen quasi überhaupt nicht auf und tun nicht weh. Der GLC und der CLA Shooting Brake werden aufgefrischt. Einzig der Smart Speedster forease+ ist ganz pfiffig… BMW zeigt den neuen 7er mit Riesennase und setzt die Elektrifizierung der Palette fort: X3 xDrive30e, 330e und X5 xDrive45e.
Etwas dünn ist auch der Auftritt bei Renault. Wo sonst die Zukunft in Form von spektakulären Concept Cars entworfen wurde, steht nur Gegenwart. Der Clio war immerhin hinter dem Golf das meistverkaufte Auto in Europa und fügt sich nun -völlig neu entwickelt- unspektakulär ins Modellprogramm ein. Hier hätte man mal ein Schippchen Style drauflegen können. Wie das geht zeigt Peugeot mit dem neuen 208. Der ist mal ein Brummer. Innen und außen wie aus dem Ei gepellt und erstmals auch als vollelektische Variante.
Audi stellt den Q4 e-tron concept auf die Bühne. Er ist etwas rundlicher als seine Markenkollegen, was mir ganz gut gefällt. Immer diese scharfen Bügelfalten kann man einfach nicht mehr sehen. Der e-tron GT geht in selbige Richtung. Einzig im Interior muss man auch mal mit dem Glätteisen drüber, damit man sich die zarten Finger beim vielen „touchen“ auf den Displays nicht verletzt. Warum aber alle Modelle nun dieses durchgezogene Leuchtenband am Heck bekommen müssen ist mir ein Rätsel. Die SEATs haben das auch (Revival des Telefonhörers?). Mal abgesehen vom bescheuerten Namen „el Born“- der Name eines hippen Stadtviertels in Barcelona- und der unnötig komplizierten C-Säulen-Lösung ist der Wagen ganz ok und als erstes Elektroauto wohl ein Meilenstein für die Marke. Auch interessant ist der Minimo, der schon auf der MWC letzte Woche vorgestellt wurde. Knapp 10 Jahre nach dem Twizy entdeckt SEAT das Konzept und hat es weiterentwickelt. Mit Batterien zum Austauschen und vollvernetzt soll der Stadtflitzer für Car Sharing Anbieter interessant sein. Auch hat er richtige Türen und ist somit wetterfest.
Auch originell geht es bei Citroen zu. Der AMI One ist wie Ritter Sport: quadratisch, praktisch , gut! Der 2,50m kurze Würfel auf Rädern soll dein Freund sein, wird mit dem Smartphone gestartet, hat 100km Reichweite und man darf ihn ohne Führerschein fahren, weil er nur maximale 45 km/h schafft. Das reicht, um die Champs-Élysées rauf und runter zu düsen und einmal um die Pigalle.
Und klar: PORSCHE!
Vor 70 Jahren wagte sich Porsche zum ersten Mal auf den Genfer Autosalon. Und so steht als Nostalgieblickfang ein blauer 1965er 911 mit (verkehrt herum) montierten Ski auf dem Dach am Stand. Neuheiten? Bis zur Enthüllung des Taycan später in diesem Jahr, wird man mit Derivaten abgespeist. Das 911 Cabriolet zum Beispiel. Außerdem den 718T und den Macan S.
Richtig Freude kommt erst auf, als ich am Michelin Stand den Singer DLS entdecke. Was man aus einem 964er alles machen kann! Die „Dynamics and Lightweight Study“ wird mit einem Vierliter Boxer, der in Zusammenarbeit mit Hans Mezger und Williams entwickelt wurde, bestückt. Ergebnis sind 500 PS bei 9000 Touren. Abgespeckt auf 990 Kilo leer ergibt sich so jede Menge Fahrspaß. Den gibt es auch bei RUF. Die Firma wird 80 Jahre alt und feiert sich mit der Serienversion des CTR Anniversary und dem GT auf Basis des 991.2.
…und dann stehen da noch ganz komische Sachen rum…
Auch wegen der Kuriositäten kommt man nach Genf. Ein unglaubliches Auto steht bei Goodyear. Der Golden Sahara II aus den 50er Jahren. Das Unikat war eines der ersten Konzepte zum autonomen Fahren, neue elektronische Systeme wurden getestet, es verfügt über ein Steuersystem mit einem vom Flugzeug inspirierten Bedienhebel. Ein automatisches Bremssystem erkannte mithilfe von Sensoren Objekte auf der Fahrbahn. Die Reifen bestanden aus Neothane, einem lichtdurchlässigen, synthetischen Kautschuk und waren von innen beleuchtet! Das Ding ist der Hammer!
Nicht ganz so ausschweifend war der Entwurf „Linea Diamante“ des Designers Gio Ponte. Der Entwurf stammte von 1953, wurde jedoch nie in 1:1 realisiert. Sein architektonisch durchdachter Wagenaufbau sollte die funktionalen Aspekte des Autos unterstreichen und einen Gegenpol zu den damals bauchigen Formen mit kleinen Fensterflächen setzten. Auf der Grand Basel wurde das Modell im letzten Jahr erstmals gezeigt, nun steht es auch in Genf.
Und das gab es sonst noch…
Der im Innenraum mit unzähligen Smartphones-Displays bestückte Kia Imagine , der elektrische, auf den Tesla 3 zielende Polestar 2, der Ferrari F8 Tribute, Fiat an die besseren ZeitenvonPanda & Co erinnernde Centoventi, der Mini SUV Kamin und der Vision iV von Skoda, den knuffigen Honda e-Prototyp, der Subaru Viziv Adrenaline, den Mitsubishi Engelberg Tourer (Oh Gott, diese Namen!!!!),oder der VW ID Buggy. Der einem grünen Gummiboot nicht unähnliche Elektrospasswagen ist eine weitere Variation des Themas. Neu ist die Ankündigung, dass VW die Plattform (MEB genannt) auch anderen Herstellern zur Verfügung stellen will, um so für deren ungehemmte Verbreitung zu sorgen. Stilistisch gesehen fand ich den 2011 auf UP-Basis gezeigten Standwagen deutlich gelungener.
Zu guter letzt möchte ich den Nissan iMq erwähnen. Er ist für mich eines der interessantesten Autos der Messe. Es verwirrt und fasziniert mich gleichermassen durch seine scharfen Kanten, Lamellentexturen und weichen Flächen, die wild über die Karosserie zu fliegen scheinen und ist so ein Verwandter im Geiste des Peugeot e-Legend, der ebenfalls eine so noch nie gesehene Formensprache zeigte.