Die flotte Tour durch Frankreich mit Freunden geht in die zweite Runde. Sie ist in diesem Jahr kilometermäßig etwas üppiger ausgefallen, denn wir wollten ans Meer! Zunächst wieder Richtung Champagne, dann aber bis in die Bretagne und über Le Mans und die Loire zurück nach Mainz. Insgesamt über 2500 Kilometer, die wir mit unserer erst kurz zuvor erworbenen Renault Alpine A310 von 1975 meistern wollen. Mehr Strecke als der Vorbesitzer in den letzten zehn Jahren mit ihr zurückgelegt hat! Es sollte also eine erste große Testfahrt für uns werden…
Gemeinsam mit Sybille, Jan und Lorenz fahren wir vom Rhein Main Gebiet Richtung Saarland und der erste Schreck sollte nicht lange auf sich warten lassen. Im Dauerregen verabschiedet sich das linke Wischerblatt, dass sich aus der Halterung löst und davonzufliegen droht und nur mit Hilfe von Jan’s Klebeband für die weitere Reise in seiner Position gehalten werden kann. Hinter Metz wird das Wetter endlich besser, es ist trocken und wir fahren noch an die Rennstrecke Circuit de Reims-Gueux um ein paar Fotos zu machen.
Dann schnell ins Hotel, wo die Gruppe sich um Elea und Sebastién erweitert und wir zum gemeinsamen Abendessen ins „Bellevue“ des Royal Champagne fahren, um einige Fläschchen des edlen Rebensafts zu trinken. Ein schöner Einstieg in die Tour.
Die nächste Etappe am Samstag bringt uns nach Giverny, wo der Maler Claude Monet ab 1883 lebte und sich um sein Haus einen prächtigen Garten anlegte, der ihm als Inspiration und Motiv für zahlreiche Werke diente. Seerosen-Teich inklusive.
Leider sind wir hier nicht alleine, schon die Anfahrt auf die Parkplätze ist mühselig und überhaupt drängen sich überall die Touristen. In den Gassen, an den Eingängen, im Garten und im Haus des Malers ist reger Verkehr und wir sind froh, noch einen Happen zu Essen zu finden und den Abflug machen können. Am besten man kommt unter der Woche oder am Abend hierher.
Nach 120 Kilometern erreichen wir das Fischerdorf Honfleur in der Normandie. Die Sonne scheint und wir setzten uns in den Hafen, trinken ein Bierchen und genießen die Nachmitagssonne. Wunderbar, wir sind am Meer!
Über ein wunderbares Küstensträßchen fahren wir noch ein Stück weiter bis nach Trouville-sur-Mer, wo wir unser Hotel gegenüber des Casinos haben. In der Tiefgarage konnte man einen Parkplatz dazubuchen, was sich als gute Idee herausstellte, denn es war rammelvoll. Der Strand ist gleich um die Ecke und wir machen im Sonnenuntergang noch einen kurzen Stopp mit Wein und Austern an der Promenade bevor wir zum Abendessen gehen.
Sonntag: Gegenüber von Trouville liegt Deauville, wo sich im Sommer die Hautevolee von Paris trifft, um der Hitze zu entfliehen und Coco Chanel 1912 ihren ersten Laden eröffnete. Am frühen Morgen ist hier noch wenig los. Der eine oder andere Bentley parkt an der mondänen Promenade, Jogger oder Flaneure sind unterwegs am Ort, der nicht nur für sein Casino, Pferderennen oder die schönen Villen bekannt ist, sondern hauptsächlich durch das Festival des amerikanischen Films, welches seit 1975 organisiert wird. Den Strand säumen Cafés im Art Déco Stil, eine „pompejische Badeanstalt“ und 450 Umkleidekabinen im von 1923 von denen einige die Namen bekannter Schauspieler tragen, die hier zu Gast waren.
Danach folgt eine schöne Überlandpartie mit kurvigen Straßen die Jan aus seiner Calimoto App zaubert bis ins ca 80 Kilometer entfernte Port-en Bessin, der wichtigste Jakobsmuschelhafen im Département Calvados. Und diese essen wir dann auch mit Blick auf das Hafenbecken, in dem die Fischerboote wie auf einem Trockendeck liegen, denn es ist Ebbe. Der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser beträgt hier bis zu 16 Metern!
Weiter gehts zum Soldatenfriedhof Omaha Beach, wo am 6.Juni 1944 amerikanische Truppen landeten und ca.10.000 weiße Marmorkreuze -die alle in Richtung Amerika zeigen- an die Grauen dieser Tage und die Toten erinnern. Die 70 Hektar Land sind tatsächlich ein Fleck amerikanischer Boden auf französischem Territoire, verkauft an die USA und verwaltet durch die American Battle Monuments Commission.
Sant-Malo ist unser Tagesziel und dahin geht es nun auf direktem Weg, es bleibt leider keine Zeit für einen Abstecher zum Mont-Saint-Michel, den wir nur aus der Ferne von der Autobahn aus sehen. Unser Hotel ist das „Les Charmettes“ und liegt direkt am Strand. Ein Citroen 2CV steht vor der Tür und sagt uns: hier sind wir richtig gerne gesehen mit unseren alten Auto. Während unserem kurzem Sonnenuntergangs-Fußmarsch ins Zentrum des Ortes braut sich ein ganz schöner Sturm zusammen, dramatische Wolken verfolgen uns und wir schaffen es gerade noch rechtzeitig vor dem großen Regenschauer unter die Markise des Restaurant, wo wir auch Serge und Ludivine treffen. Hier im Café de l’Ouest herrscht ein schönes Gewimmel und es gibt Leckeres aus der Region. Gegen halb eins rollen wir rund aus dem Lokal, laufen noch das Stück zum Hotel zurück und fallen müde ins Bett.
Am nächsten Morgen drehen wir nochmals eine Runde durch die Stadt, laufen über die Stadtmauer und kaufen ein paar Baguette, denn Serge hatte uns auf seine Insel zum Brunch eingeladen. Die liegt einige Kilometer entfernt an der Küste entlang und ist nur bei Ebbe zu Fuß zu erreichen. Wir verbringen einen wundervollen Mittag bei Essen, Trinken und einer tolle Führung, auf welcher wir von der 1000 jährigen bewegten Geschichte erfahren und auch von einem seiner Bewohner, dem exzentrischen Sänger Léo Ferré, der hier in den 60er Jahren mit seinem Schimpansen lebte und drei seiner Alben komponierte. Viele Fotos und ein Salon mit einem Piano zeugen noch heute davon.
Bevor die Flut kommt, müssen wir los. Das ist um 14 Uhr. Heute wollen wir ca 250 Kilometer nach Le Mans fahren. Das Museum schenken wir uns, dafür ist es schon zu spät. Aber wir fahren ein Stück über die Hunaudières-Gerade und sehen schon die Vorbereitungen für das 24 Stunden Rennen im Juni. An einer der Mautstationen halten wir zur Pipipause, als ich nicht mehr aus dem Auto komme. Irgendwas hat sich im Türschloss verklemmt. Von aussen lässt sie sich auch nicht öffnen, also steige ich rechts aus. Hmmm. Ein Auto hält neben uns und fragt auf recht gutem deutsch, ob er helfen könnte. Der junge Mann heißt Florent Lecluse und kennt sich aus, hat selbst 7 Alpines in der Garage! OHA, denke ich, das ist mein Mann. Tatsächlich fummelt er ein wenig an der Tür rum, um dann geht sie wieder auf. Einfach ein bisschen nach innen drücken. Problem gelöst. Wir plaudern noch ein wenig und er zeigt uns Fotos von der Familiensammlung. Gordini R8, Alpines 110, aber auch 108er und sogar als Cabrio!
Bis Le Chartre-sur-le-Loire ist es nicht mehr weit. Wir übernachten, wo Motorgeschichte geschrieben wurde. Im „Hotel de France“ logierten seit den frühen 50er Jahren die Teams von Aston Martin, Porsche, Ford oder Ferrari, präparierten die Rennwagen im Innenhof des Hotels und fuhren von hier auf eigener Achse zum Rennen nach Le Mans. Innen hängt alles voll mit alten Fotos und die Zimmer sind nach Rennfahrern benannt. Eine Zeitkapsel sozusagen. Christophe Lefevre arbeitet hier seit 40 Jahren und hat schon viel erlebt. Berühmte Piloten haben hier übernachtet, Stirling Moss, Bruce McLaren, Jochen Rindt oder Jacky Ickx. Nächste Woche kommt Derek Bell, erzählt er uns. Er kommt jedes Jahr. Auf Christophes Instagram Kanal (@lefevre6271) sieht man Fotos von Sportwagen, die auf dem großen Parkplatz vor dem Hotel parken. Als wir ankommen ist dieser voll mit Citroen 2CV einer englische Reisegruppe , die hier einen Stopp einlegt.
Dienstag: Am Morgen springt unsere Alpine nicht richtig an, es hatte geregnet und sie mag wohl die Feuchtigkeit nicht. Mit dem Jumpstarter helfen wir ihr auf die Beine, machen noch ein paar Fotos vor dem Hotel und uns dann auf den Weg überlang nach Saumur an der Loire, wo wir zu Mittag essen, noch zum Chateau hochlaufen und dann bis zum Ziel nach Fontevraud fahren. Hier steht die größte Klosteranlage Europas und wir kurven erstmal etwas durchs Dorf, bevor wir den richtigen Eingang finden. Denn unser Hotel liegt mitten drin. Es ist das „Fontevraud L’Ermitage“ und ist eine tolle Kombination aus moderner Renovierung und alter Substanz. Wir haben noch etwas Zeit bis zum Abendessen und machen einen ausgiebigen Rundgang, tauchen ein in die über 1000 jährige Geschichte. Über 700 Jahre hinweg wurde es von Äbtissinnen geleitet, was ziemlich ungewöhnlich war. Eleonore von Aquitanien lebte hier und ließ ihren Ehemann Heinrich II von Englandund ihren Sohn Richard Löwenherz hier beerdigen. Napoleon wandelte die Abtei in ein Gefängnis um, heute ist es UNESCO Weltkulturerbe und absolut einen Besuch wert.
Am nächsten Morgen nach gemeinsamem leckeren Frühstück trennen sich unsere Wege. Lorenz und Serge müssen nach Hause, und wir fahren mit Sybille und Jan noch ein Stück weiter, um das 100 Kilometer entfernte Wasserschloss Chenonceau zu besichtigen. Es ist nach Versailles das meist besuchte in ganz Frankreich und gilt als elegantestes, feinstes und originellstes der Loire-Schlösser. Und tatsächlich hat es alles, was man sich vorstellt. Platanenallee mit Wassergraben, Gartenanlage, Türmchen, Kapelle und Himmelbetten prächtigster Ausführung und als Highlight eine 60 Meter lange Galerie, die von einer Bogenbrücke über den Fluß getragen wird.
Ein Schloss pro Tag ist ja nicht genug und deshalb fahren wir weiter nach Chambord. Hier steht das größte von allen und auch das ist ein Hingucker. Das Wetter ist durchwachsen und so laufen wir nur einmal drumrum und verabschieden uns von Jan und Sybille, die weiter Richtung Como und Südtirol fahren. Wir bleiben hier über Nacht in Blickweite zum Schloss im Hotel „Relais de Chambord“, welches vom Architekten Jean-Michel Wilmotte 2018 grundsaniert wurde.
Den Besuch des Innere des Schlosses steht für den nächsten Vormittag an. Ideengeber des Baus war Leonardo da Vinci, der auch die zentrale Doppelwendeltreppe entwarf. Auf der in zwei ineinander verschränkten Spiralen angelegten Treppe können zwei Personen gleichzeitig schreiten, ohne sich zu begegnen. 60 der 426 Zimmer können besichtigt werden und wer möchte, kann die 282 Kamine zählen oder im Schlosspark wandeln, der so groß ist wie ganz Paris! Spannend war eine Geschichte, die im einem Raum im Obergeschoss erzählt wird. Um die Kunstschätze im Krieg vor Bombardierung und Plünderung in Sicherheit zu bringen wurden tausende Kisten mit Bildern und Skulpturen aus Sammlungen und Museen ins Schloss gebracht. Allein aus dem Louvre wurden in 37 Konvois 3690 Bilder evakuiert, darunter auch die Mona Lisa, die in einer eigenen Kiste mit einem Geheimcode versehen mehrmals umzog und niemals aus den Augen gelassen wurde.
Donnerstag: Ein Mix aus Überlandpartie und Autobahn bringt uns unserem letzten Ziel in 300 Kilometern näher. Brienne-le-Chateau liegt in der Champagne östlich von Troyes. Eigentlich ist das ein kleines Nest, gelangte aber zu Berühmtheit, weil Napoleon hier die Militärschule absolvierte und hier immer mal wieder vorbei kam. Ein Schloss gibt es hier natürlich auch, aber das werde derzeit renoviert und so bleibt nur der Blick aufs hübsche Rathaus, welches von Napoleons Geld gebaut wurde. Zum Dank steht davor eine kleine Statue von ihm. Beides sehen wir, wenn wir aus dem Fenster unseres Zimmers blicken. Wir sind zu Gast in der Villa Josephine, die nach Napoleons Ehefrau benannt ist und von Bertrand Dufour bewohnt wird. Er vermietet ein Zimmer im ersten Stock als Bed & Breakfast. Bei der Ankunft empfängt uns seine Mutter herzlich und auch die beiden Enkel begrüßen uns, interessieren sich aber eher für unser Auto. Wir parken hinter dem Haus im Park, in dem zwei riesige Platanen stehen. Sie sind ca 400 Jahre alt und gehören mit 40 Metern zu den größten in ganz Frankreich.
Ein Restaurant fürs Abendessen zu finden erweist sich als schwierig. Es ist absolut nichts los hier und wir sind froh, bei eine Kebab-Laden noch was zu bekommen. Der macht um 22h zu und so kommen wir mal früh ins Bett und genießen noch etwas unseren Aufenthalt bei Josephine. Das Frühstück wird im Salon serviert, leckere Croissants, Pain au Chocolat, Baguette und Marmelade. Wir plaudern noch eine ganze Weile mit Bertrand und er erzählt uns, dass er am Wochenende ein Corvette und Mustang Treffen des „Aubamerican Day“ auf dem Aerodrome in der Stadt organisiert, für über 1000 Fahrzeuge und 12000 Besucher
Fast wären wir noch einen Tag geblieben, aber wir wollen ja auch mal wieder nach Hause. Und so kommen wir nach einer Woche wieder in Mainz an. Die Alpine hat durchgehalten und ausser ein paar kleinen Problemen ist sie super gelaufen. Mal sehen, wo die nächste Reise mit ihr hingeht…
Text und Fotos: Markus Haub & Susana de Val