Turiner Autosalon 1996

April 1996. Autosalon Turin. Weltpremiere bei Mercedes-Benz. Zwei Jahre zuvor wurde die Studie zum SLK vorgestellt. Und die war ganz heiß. Nun sollte das Serienmodell den Augen der Welt gezeigt werden und dafür haben sich die Schwaben was besonderes einfallen lassen. Auf dem Messestand türmten sich mehrere Container übereinander, einer war mit einer dicken Kette verschlossen. Bei der Pressekonferenz war ganz schon was los und als der Countdown ablief, kam Bud Spencer auf die Bühne, brach die Ketten auf und heraus kam viel Rauch und der brandneue 230 SLK. Was für ein Auftritt! Was für ein Wagen. Er sieht heute noch klasse aus…


Turin war damals noch eine Reise wert und die Italiener trumpften immer fett auf! Zum einen fand sie Messe in Teilen der legendären Fiat Fabrik Lingotto statt, die damals von Renzo Piano aufwändig umbebaut wurde und neue Autos konnte man auf der Rennstrecke auf dem Dach testen. Steilkurve inklusive! Zum anderen gab es jede Menge Konzeptcars. 25 Stück an der Zahl! 

Fiat veranstaltete zum zweiten Mal einen Ideen-Wettbewerb unter den italienischen Carozzieri. Nach Punto 1994 stellte nun der neuvorgestellte Bravo/Brava das Thema. 17 Designvorschläge gab es zu sehen, zehn davon wurden offiziell von FIAT gesponsert.  Vom Centro Stile selber wurde in Zusammenarbeit mit Maggiora der Armadillo gebaut, eine Art vom Gürteltier inspirierter, superaerodynamischer Mini MPV mit 3+2er Sitzanordnung und flexiblem Interior (entworfen von Tancredi de Aguilar). 

Nicht alle kann man aus heutiger Sicht (und eigentlich auch schon damals) als gelungen bezeichnen. Grenzwertig waren sicherlich der ItalDesign Formula Hammer, eine Art offener Buggy. Auch der Pick-Up-Entwurf Bravo Sentiero von Coggiola , das Pininfarina Pärchen Sing e Song oder der Zagato Bravo Bis waren kein Augenschmaus. Interessanter waren da schon der Giannini Bravo Windsurf, der ItalDesign Bravo Legram, der Fioravanti Flair oder auch der Fiat Vuscia von I.DE.A. Institute. Mit Abstand hat mir der Bertone Entwurf am besten gefallen. Der Enduro war eine Kreuzung aus SUV und Coupe und stand in gelb und in einer Rallye-Version am Stand.  

Sehr gelungen war übrigens auch der Pininfarina Eta Beta. Der kleine Stadtwagen bestand aus recycelten Leichtbaumaterialien und hatte symmetrische Flügeltüren und ein ausfahrbares Heckteil zur Vergrößerung des Kofferraums. 

Ebenfalls symmetrische Türen hatte der Fioravanti Nyce auf Fiat Basis. Ein SUV-Pick-Up-Coupe-Mix im Zweiton-Look aus Kunststoff. Auf der Ladefläche haben Surfboards, Fahrräder oder anderes Sportgerät Platz.  

Ghia war damals auch noch da. Der kleine Roadster Saetta machte mit dem „New Edge Design“ den Weg frei für den revolutionären KA, der ein halbes Jahr später erschien. Ausserdem zu sehen gab es den Ghia Ford Alpe, einen 4-türigen Offroader. 

Bei Stola wollte man sich im Prototypenbau-Geschäft etablieren. Man heuerte dazu den sich schon im Ruhestand befundenen Aldo Brovarone an, der Designer, der bei Pininfarina in den 50ern und 60gern für zahlreiche Traumwagen verantwortlich war.  Sein Meisterstück war sicherlich der Ferrari Dino GT Speciale, aus welchem er später -zusammen mit Leonardo Fioravanti – den Dino 206/246 GT entwickelte. Für Stola nun schwang er den Stift, um den extrem gepimpten, um 16cm verbreiterten Barchetta Dedica zu schaffen. Das türkisfarbene Roadster-Modell war fahrbereit und hatte 262 PS unter der Haube. 

Auf der Messe habe ich wohl eher den Blick auf die süße Hostess gerichtet, wie man an dem Foto sieht. Aber Thomas hatte schon immer einen guten Draht zu den Italienern und so kamen sie mit dem Renner zu unserer Pforzheim-Semesterpräsentation im Sommer hochgefahren und haben für große Augen auf dem Parkplatz gesorgt… 

1996 standen einige Highlights der Show aber nicht in der Halle, sondern davor. In einem Zelt reihten sich dicht an dicht die unglaublichsten (italienischen) Concept Cars of all times! Die Turiner Designhäuser machten ihre Schatzkisten auf und heraus kam so Unglaubliches wie der Italdesign Maserati Boomerang (1971/72) oder der Bertone Lancia Statos Zero (1970). Ausserdem der Italdesign Megagamma (1978), Alfa Romeo New York Taxi, (1976), Capsula (1982), Together (1984), Asgard (1988), Columbus (1992), der Bertone Zabrus (1986), Bertone Nivola (1990), Chevrolet Corvair Testudo (1963), Fiat Spunto (1994) und der Lamborghini Marzal (1967). Oder der Pininfarina Jaguar XJS und ein Nash Healey

Ja, so war das damals in Turin. Und gefeiert wurde auch. Und zwar ausgiebig am Flussufer in den Katakomben von Murazzi, wo die Designers Party stattfand. Ziemlich rustikal und leger ging es zu. Legendär Chris Bangle in seine „Olympia Atlanta 1996“ Jogging Anzug oder  der Auftritt von Roberto Giolitos Jazz Band. Kein Auge blieb trocken und getanzt wurde bis spät in die Nacht. 

Fotos: Markus Haub