Ziemlich verlassen zeigt sich das Gelände rund um die Gebäude des Zentralflughafens Tempelhof. Wir haben uns zur Führung um 13:30h angemeldet, sind etwas zu früh und wollen noch ein paar Fotos direkt vor dem Hauptgebäude machen. Zu unser Verwunderung ist der Parkplatz völlig leer, wir ziehen einfach ein Parkticket und stellen und hin. Wahrscheinlich gibt es rundherum genügend kostenfreie Möglichkeiten. Uns war der Spaß und die Fotos aber einen Euro/Stunde wert.
Die Geschichte…
Als hier auf dem Gelände Orville Wright 1909 Demonstrationsflüge vor hunderttausenden von Zuschauern absolvierten und den ersten Passagierflug der Welt durchführten, konnte man die Populärität des Tempelhofer Flughafen schon erahnen. Die ersten planmäßigen Flüge starteten 1923 und ab 1926 nutzte die neu geschaffene Lufthansa ihn als Heimat.
So wie wir die Gebäude aber heute kennen wurden sie zwischen 1936 und 1939 von den Nazis erbaut und zu ca 90% fertig gestellt. Die Tribünen auf dem Dach der Anlage für 80000 Zuschauer, die den propagandistischen Flugshows beiwohnen sollten, sowie die Treppentürme blieben wegen des Krieges unvollendet. Mit seinen 1,2 Kilometer Länge und 9000 Räumen war es einst das größte Gebäude der Welt und wird heute nur vom Pentagon und dem Parlamentspalast in Bukarest übertroffen.
Nach dem Krieg übernahmen die Amerikaner den Flughafen. Während der Berliner Blockade von 1948-49 diente er als Hauptdrehkreuz für die Luftbrücke (link), welche die Versorgung der Bevölkerung mit Lebendmitteln und Kohle gewährleistete. Insgesamt führten die Amerikaner zusammen mit den Engländern knapp 280000 Flüge und somit die größte humanitäre Hilfsaktion der Geschichte durch.
Ab 1951 wurde Tempelhof wieder für die zivile Luftfahrt freigegeben und schloss erst nach dem Neubau von Tegel 1975 die Tore. 1981 nahm man den Betrieb erneut auf, und nach der Wende wurden bereits 400000 Passagiere gezählt, ab 2008 war dann aber endgültig Schluss. Die Landebahnen waren einfach zu kurz und es war unmöglich ihn rentabel zu betreiben.
Währen der zweistündigen Führung bekommen wir zahlreiche Einblicke in die verschiedenen Etagen und Abschnitte und auch in die Bunkeräume in einem der drei Untergeschosse, die für 40-60 Personen ausgelegt waren und deren Wände zur Unterscheidung und Orientierung mit Kinderzeichnungen im Stil von Wilhelm Busch bemalt wurden.
Auch sehen wir den nie fertig gestellte Ballsaal über der Abfertigungshalle, der von den Amis zu einer Basketballhalle umfunktioniert wurde. Interessant sind ebenfalls die Informationen über die Entnazifizierung des Gebäudes nach dem Krieg. Sichtbare Zeichen des Regimes wurden abmontiert, aber auch die monströsen Proportionen einiger Räume wurde zu kaschieren versucht.
Damals betrat man das Hauptgebäude durch eine der 21 Türen in der mit Muschelkalk dekorierten Schaufassade und gelangte zunächst in die Eherenhalle. Diese war 90 Meter breit, 9 Meter tief und unglaubliche 15 Meter hoch. Durch den Einzug einer Zwischendecke aus Beton wurde die Höhe drastisch reduziert, um sie unscheinbarer wirken zu lassen. Der oberhalb gelegene rund 10 Meter hohe Raum ist jedoch im Rahmen der Führung begehbar und erzählt anschaulich mit seiner stark beschädigten, schwarz gewordenen Stuckdecke vom Monumentalismus jener Zeit. Ebenso wurde in der gigantischen Haupthalle die Decke von ursprünglichen 19 Metern um 4 Meter abgesenkt.
Der Flughafen steht seit 1995 unter Denkmalschutz und wird als Eventfläche, Filmkulisse, Flüchtlingsunterkunft oder Bürogebäude genutzt. Derzeit werden weitere Bereiche saniert und demnächst zur Büronutzung freigegeben.
Fotos: Markus Haub & Susana de Val